Besitz von Cannabissetzlingen in Verkaufsabsicht erfüllt Tatbestand des Handeltreibens

Auch nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes erfüllt der Besitz von Cannabissetzlingen mit dem Ziel deren Ertrag nach weiterer Aufzucht in einer eingerichteten Plantage gewinnbringend zu verkaufen, den Tatbestand des Handeltreibens mit Cannabis ohne dass es einer Einpflanzung in der Plantage bedarf.

E-Scooter sind als Kraftfahrzeuge einzustufen und die absolute Fahruntüchtigkeit bei einer Fahrt unter Alkohol liegt bei 1,1Promille

Elekrokleinstfahrzeuge mit elektrischem Antrieb, einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h und bestimmten, in § 1 eKFV genannten zusätzlichen Merkamlen ( E-Scooter), sind gemäß der Verordnung über die Teilnahme am Straßenverkehr als Kraftfahrzeuge einzustufen.
Der Mindestwert für die unwiderlegliche Annahme von absoluter Fahruntüchtigkeit liegt für Führer von E-Scootern bei einer Alkoholfahrt bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille. (OLG Hamm, Urteil vom 08.01.2025 III-1 ORs 70/24)

Notwehr und Notwehrprovokation

Nicht rechtswidrig handelt derjenige, der eine Tat begeht, die durch Notwehr oder Nothilfe geboten ist. Hat ein Angegriffener den Angriff allerdings provoziert, wird dessen Verteidigungsbefugnis eingeschränkt. Erfolgt die Provokation zwar nicht absichtlich, sondern-nur-vorsätzlich oder leichtfertig, wird dem Täter das Notwehrrecht zwar nicht vollständig und nicht zeitlich unbegrenzt genommen, es werden an ihn jedoch um so höhere Anforderungen gestellt, je schwerer die rechtswidrige und vorwerfbare Provokation der Notwehrlage wiegt. Wer die Notwehrlage provoziert hat, muss deshalb u.U. auf eine sichere erfolgversprechende Verteidigung verzichten und das Risiko hinnehmen, dass ein minder gefährliches Abwehrmittel keine gleichwertigen Erfolgschancen hat und dem Angriff nach Möglichkeit ausweichen. (vgl. BGH 2 StR 211/24)

Gefährliche Körperverletzung bei einer das Leben gefährdenden Behandlung – Würgen des Opfers

Wie bereits in meinem letzten Beitrag mitgeteilt, sieht der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung eine Mindesstrafe von 6 Monaten Freiheitsstrafe vor. Die Höchststrafe liegt bei 10 Jahren.

Um die gegenüber der sogenannten „einfachen“ Körperverletzung höhere Strafandrohung begründen zu können, kommt es bei der lebensgefährdenden Behandlung maßgebend auf die Gefährlichkeit der Tathandlung und nicht so sehr auf die eingetretenen Verletzungen an. Eine gefährliche Körperverletzung erfordert zwar nicht, dass das Opfer tatsächlich in Lebensgefahr gerät. Die Einwirkung durch den Täter muss aber nach den Umständen generell geeignet sein, das Leben des Opfers zu gefährden.

Festes Würgen am Hals ist dazu grundsätzlich geeignet. Zwar reicht nicht jeder Griff aus, der zu Würgemalen führt, ebensowenig bloße Atemnot. Würgen bis zur Bewusstlosigkeit, beginnende Sehstörungen oder auch Abschnüren der Halsschlagader allerdings schon. (vgl. u.a. BGH StR 206/21)

Gefährliche Körperverletzung bei gemeinschaftlicher Begehung

Einer gefährlichen Körperverletzung mit einer Strafandrohung von mindestens 6 Monaten Freiheitsstrafe macht sich schuldig, wer die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Die erhebliche Strafschärfung gegenüber der sog. einfachen Körperverletzung ergibt sich aus der erhöhten Gefährlichkeit der Tatsituation für das Opfer.
Zur Verwirklichung des Tatbestandes ist es nicht erforderlich, dass jeder einzelne der Tatbeteiligten das Opfer eigenhändig verletzt. Vielmehr ist es ausreichend, wenn ein am Tatort anwesender weiterer Beteiligter die Körperverletzungshandlung des Täters -physisch oder psychisch- bewusst in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist. Das ist der Fall, wenn das Opfer durch die Präsenz mehrerer Personen auf der Verletzterseite insbesondere auch wegen des erwarteten Eingreifens des oder der anderen Beteiligten beeinträchtigt wird, Gegenwehr zu leisten, auszuweichen oder zu flüchten.
Daran fehlt es aber, wenn sich mehrere Opfer jeweils nur einem Angreifer ausgesetzt sehen, ohne dass die Positionen ausgetauscht werden. In einem solchen Fall stehen die Beteiligten dem jeweiligen Geschädigten gerade nicht gemeinschaftlich gegenüber. ( BGH 2 StR 44/24 )

Heimlichkeit einer Innenraumüberwachung von mehreren Beschuldigten in einer Gewahrsamszelle-kein Verstoß gegen faires Verfahren, wenn Beamte wahrheitswidrig behaupten, die anderen Zellen seien belegt

Werden Mitbeschuldigte im Rahmen einer Vorführung gemeinsam in einer Gewahrsamszelle untergebracht, für die das Amtsgericht gezielt die akustische Innenraumüberwachung angeordnet hatte und nennen Ermittlungsbeamte als Grund für die gemeinsame Unterbringung wahrheitswidrig, alle anderen Zellen seien belegt, verstößt die Verwertung aufgezeichneter selbsbelastender Äußerungen weder gegen die Selbstbelastungsfreiheit noch gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Entscheidend ist, dass mit der wahrheitswidrigen Angabe der Ermittlungsbeamten, alle anderen Zellen seien belegt, keine Aussage darüber verbunden war, die Angeklagten könnten sich ungestört und ohne jegliche Überwachung über den Tatvorwurf unterhalten. Die Mitteilung der Beamten diente vielmehr dazu, die Heimlichkeit der Überwachungsmaßnahme zu verdecken. (BGH 3 StR 134/24- Beschluss vom 23.07.24)

BGH Entscheidung zu den Anforderungen an ein Obhutsverhältnis, das eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen begründen kann

Im vorliegenden Fall war ein Stiefvater u.a. des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen angeklagt und im Verfahren deshalb zu klären, ob zwischen ihm und dem Opfer ein Obhutsverhältnis bestand. Dafür ist erforderlich, dass zwischen Täter und Opfer ein Verhältnis besteht, kraft dessen eine Person unter 16 Jahren dem Täter zur Erziehung oder Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, d.h. ihm das Recht und die Pflicht obliegt, die Lebensführung des Schutzbefohlenen und damit dessen geistig-seelische Entwicklung zu überwachen und zu leiten, der Täter sich also selbst als „Familienvater“ sieht und das Stiefkind dies auch so wahrnimmt. Ein bloßes Zusammenleben genügt dafür nicht. (BGH Urteil vom 14.08.2024, Az. 4 StR 127/24)

Unverteidigt 2 Jahre Freiheitsstrafe -Verfassungsgericht setzt die Vollstreckung aus

Mit Beschluss vom 19.07.24 hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren ausgesetzt, da der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung nicht verteidigt war.
Dem Angeklagten sei unter Verstoß gegen die Bestimmungen zur notwendigen Verteidigung trotz der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge kein Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Dadurch sei möglicherweise sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt, das seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten und Art. 1 Abs.1 GG hat. Als unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens gewährleistet es dem Beschuldigten, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können. Der Angeklagte wurde vom Landgericht Frankfurt am Main in der Berufungshauptverhandlung wegen Störung des öffentlichen Friedens, versuchter Nötigung und Bedrohung unter Einbeziehung zweier weiterer Verurteilungen zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. (BVerfG 2 BvR 829/24)

Faustschlag gegen Kopf oder Schläfe kann mit Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten geahndet werden

Heftige Schläge gegen den Kopf eines Opfers können eine das Leben gefährdende Behandlung sein, wenn sie nach Art der Verletzungshandlungen im Einzelfall zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können. Das gilt selbst für Schläge mit der bloßen Hand. (Vgl. BGH 3 StR 157/23)